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Der Schleswig-Holsteinische Landtag und die Landesregierung werden aufgefordert, verpflichtende Ausbildungsmodule zu den Themen Sexualität und Aufklärung für alle Lehramtsstudierenden an den Hochschulen des Landes einzuführen. Ziel ist es, dass angehende Lehrkräfte bereits während ihrer Ausbildung auf den professionellen Umgang mit diesen Themen vorbereitet werden und später als Lehrerinnen und Lehrer eine sichere und umfassend informierte Umgebung schaffen können, das Mobbing von Anfang an präveniert.
Es erscheint sinnvoll, dass Lehramtsstudierende im Rahmen der pädagogischen Ausbildung auch etwas über die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen lernen und darauf vorbereitet werden, mit dem Thema Sexualität im Schulkontext souverän umgehen zu können. Im Schwerpunkt erscheint es uns aber doch am wichtigsten, dass diejenigen Lehrer, die Sachkunde, Biologe oder relatierte Fächer unterrichten, einen angemessenen Zugang zu diesem relevanten Thema vermittelt bekommen. Der verstaubte Sexualkundeunterricht mit kopierten Blättern und Holzpenissen ist nicht mehr zeitgemäß. Vor allem aber müssen die Lehrkräfte wissen, wo sie auch Fachkräfte und relevantes Unterrichtsmaterial zugreifen können. Das können etwa ausgebildete Sexualpädagogen von proFamilia sein oder Lern-Apps, die in den letzten Jahren zunehmend auf den Markt kommen. Hier gilt aus unserer Sicht: nicht jede Lehrkraft muss alles können und wissen, es ist in Ordnung, bei diesem sensiblen Thema Profis zur Rate zu ziehen. Dass das dann auch geschieht, muss von Seiten des Bildungsministeriums sichergestellt werden.
Sexualität und Aufklärung sind bereits fester Bestandteil des Biologie-Unterrichts und werden auch in anderen Fächern thematisiert. So werden im Deutschunterricht Geschlechterrollen und Beziehungen in Lektüren behandelt und es gibt Projekttage und Workshops mit externen Fachstellen wie PETZE oder HAKI. Gleichzeitig wächst die Liste an gesellschaftlich relevanten Themen, die Lehrkräfte im Studium lernen und später vermitteln sollen – von Antidiskriminierung und Wissen über Antisemitismus hin zum Umgang mit Diversität und Heterogenität, der Prävention von (sexualisierter) Gewalt, psychischer/mentaler Gesundheit, Demokratiebildung, Medienkompetenz und Nachhaltigkeit (vgl. hierzu auch JiL-Beschlüsse 37/13, 37/12 und 37/53). Deshalb muss gut abgewogen werden, welche Inhalte wirklich für alle verpflichtend sein sollten und wo spezialisiertes Fachwissen oder gezielte Fortbildungen die bessere Lösung darstellen. Bereits jetzt gibt es in der Lehrkräfteausbildung Inhalte zur sexuellen Bildung, doch wir sehen Verbesserungsbedarf. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Themen stärker in der Ausbildung und Fortbildung verankert und Lehrkräfte gezielt auf den professionellen Umgang vorbereitet werden.
Sexualität ist in der Entwicklungsphase der Schüler*innen ein wichtiges Thema. Schulen können junge Menschen dabei unterstützen, einen offenen, vorurteilsfreieren Austausch, und vor allem Sicherheit im Umgang mit dem Thema Sexualität zu finden. Es stärkt sie in ihrem eigenen Körperempfinden und kann dazu beitragen, sie vor Missbrauch und Cybergrooming zu schützen. Darüber hinaus muss der Grundsatz „Nur Ja heißt Ja“ frühzeitig und nachhaltig vermittelt werden. Bereits im Studium – aber auch darüber hinaus mittels Fortbildungen – müssen angehende Lehrer:innen dazu befähigt werden, diesen Grundsatz aktiv zu vermitteln. Im Rahmen der Lehrkrästeausbildung sind Workshops und Seminare zu etablieren, die den Umgang mit Vielfalt thematisieren und neue Motivationsstrategien entwickeln. Für den Abbau von Stereotypen oder genderbezogenen Vorurteilen können vor allem Kampagnen und Aufklärung erste Schritte sein.
Die inhaltliche Ausgestaltung der Lehramtsstudiengänge orientiert sich an den ländergemeinsamen Vorgaben der Kultusministerkonferenz zu den Bildungswissenschaften, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken. Bei der Aufnahme von zusätzlichen Themen in die Lehramtsstudiengänge ist zu berücksichtigen, dass die Spiel-räume durch die zur Verfügung stehenden 300 ECTS begrenzt ist. Das bedeutet, dass bei der Aufnahme von zusätzlich zu erlangenden Kompetenzen und Fachkenntnissen jeweils zu entscheiden ist, welche Studieninhalte ersetzt werden sollen. Die Themen Sexualität und Aufklärung, insbesondere im Zusammenhang mit Konfliktprävention, sind unumstritten wichtige Themen, die in den KMK-Vorgaben für die Bildungswissenschaften mittelbar abgebildet. Hiernach ist vorgesehen: „Die Absolventinnen und Absolventen: • kennen Risiken sowie Potenziale im Kindes- und Jugendalter sowie Präventions-, Interventions- und Unterstützungsmöglichkeiten. • analysieren Konflikte und kennen Methoden der konstruktiven Konfliktbearbeitung sowie des Umgangs mit Gewalt und Diskriminierung. …“ Die Verankerung entsprechender Inhalte in den Lehramtsstudiengängen wird im Rahmen der regelmäßig stattfinden Akkreditierungsverfahren überprüft. An der Europa Universität Flensburg befasst sich eine Nachwuchsforschungsgruppe mit der Ausgestaltung eines extracurricularen Angebotes für eine Zusatzausbildung „Referenzperson für schulisches Handeln im Kontext sexuellen Kindesmissbrauchs (RP SKM)“, dass unter anderem an Lehramtsstudierende und Lehrkräfte ausgerichtet sein soll. Diese ergänzende Qualifikation soll die Teilnehmenden befähigen, in den Schulen, an denen sie (später) tätig sind, in Zusammenarbeit mit der Schulleitung: • ein Schutzkonzept zu entwickeln, • ein Netzwerk von Fachkräften für dieses Themengebiet aufzubauen und zu begleiten sowie • als Ansprechperson zu fungieren und Gespräche mit Betroffenen und ihren Angehörigen zu führen und hierbei die Anzeigenerstattung im Blick behalten.
Die Prävention von Mobbing ist zweifellos ein wichtiges Anliegen, das durch weitergehende Schulungen und Fortbildungen unterstützt werden muss. Im Hinblick auf eine verpflichtende Einführung entsprechender Ausbildungsmodule für alle Lehramtsstudierenden sind wir dennoch skeptisch. Vielmehr schlagen wir zumindest in einem ersten Schritt vor, angehende Lehrkräfte zu motivieren, Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich zu nutzen. Das setzt voraus, dass entsprechende Angebote verfügbar sind und nach Bedarf auch weiter ausgebaut werden.
Die Thematisierung von Sexualität, Aufklärung und Mobbingprävention in der Lehrkräftebildung ist aus unserer Sicht sehr wichtig. Lehrkräfte müssen befähigt sein, eine respektvolle und diskriminierungsfreie Lernumgebung zu gestalten. Deshalb müssen schon heute alle Lehramtsstudierenden in Schleswig-Holstein Module in Erziehungswissenschaften absolvieren, wobei auch Themen wie Entwicklung, Erziehung, Wertebildung, Umgang mit Diversität und auch Sexualität behandelt werden. Darüber unterstützen wir interdisziplinäre Angebote oder den Ausbau bestehender Wahlpflichtmodule.
Die Sensibilisierung angehender Lehrkräfte beim Thema sexuelle Aufklärung ist sehr wichtig dafür, jungen Schülerinnen und Schülern eine sichere Umgebung zu ermöglichen, in der sie offen Fragen stellen und gleichzeitig qualifizierte Antworten von ihren Lehrkräften erwarten können. Jedoch bestehen hier noch größere Defizite in der Ausbildung von Lehrkräften. Viele Lehramtsstudierende und Lehrkräfte in den Schulen wünschen sich mehr Aus- und Weiterbildungsangebote auf dem Gebiet der sexuellen Bildung und der Prävention sexualisierter Gewalt. Das geht aus einer groß angelegten, quantitativen Studie der Universität Leipzig und der Hochschule Merseburg aus dem Jahr 2019 hervor. Die Studie fand im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Sexuelle Bildung für das Lehramt“ (SeBiLe) statt. (Quelle: https://idw-online.de/de/news727726 ) Aus der Erhebung geht unter anderem hervor, dass Lehramtsstudierende und Lehrkräfte bisher in ihrer Ausbildung kaum von Angeboten sexueller Bildung und zur Prävention sexualisierter Gewalt profitieren konnten, denn lediglich 20 Prozent der Befragten gaben an, in ihrer Ausbildung Angebote zu sexueller Bildung wahrgenommen zu haben. An Angeboten zur Prävention sexualisierter Gewalt haben acht Prozent der Studierenden und neun Prozent der Lehrkräfte teilgenommen. Die Lehrkräfte wünschen sich eine deutliche Erweiterung der Angebote. Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß, der die Projektleitung an der Hochschule Merseburg innehatte, leitet aus dieser Ausbildungssituation eine Forderung an die Universitäten ab, die ein Lehramtsstudium anbieten: „Gesellschaftlich spielen Geschlecht, Körper und Sexualität in Deutschland so große Rollen – aber Fachkräfte, die mit Kindern und Jugendlichen Umgang haben, werden zu diesen Themenfeldern bisher kaum ausgebildet. Bislang ist die Schule kein Schutzraum – die erziehungswissenschaftlichen Fakultäten können einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung dieser Situation leisten, indem sie die Ausbildung von Lehrkräften diesbezüglich verbessern.“ Lehrer*innen und auch andere pädagogische Fachkräfte sollten daher qualifizierte Vertrauenspersonen für Schüler*innen sein, sind jedoch oftmals nicht ausreichend qualifiziert oder haben persönliche Hemmnisse, das Thema Sexualität im schulischen Kontext professionell aufzugreifen. Das Curriculum „Sexuelle Bildung für das Lehramt 2.0 – Lieben lernen | Lieben lehren“ füllt die Lücke. Es eignet sich insbesondere für die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften und entspricht aktuellen wissenschaftlichen Standards und Bedarfen in den Themenfeldern Sexuelle Bildung, sexuelle Selbstbestimmung sowie Prävention von und Intervention bei sexualisierter Gewalt.
Die Ausbildung der Lehramtsstudierenden liegt in der Kompetenz der Länder und außerhalb der Zuständigkeiten des Bundes. Als Grüne Landesgruppe unterstützen wir jedoch die Vorhaben der Grünen Landtagsfraktion und erkennen an, dass im Rahmen der Lehrkräfteausbildung Verbesserungsbedarf im Bereich der sexuellen Bildung besteht. Hier unterstützen wir die grüne Landtagsfraktion dabei, diese Themen stärker in der Ausbildung und Fortbildung zu verankern und Lehrkräfte gezielt auf den professionellen Umgang mit diesen Themen vorzubereiten.