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Der Schleswig-Holsteinische Landtag und die Landesregierung werden aufgefordert, an allen Schulen des Landes ein Wahlfach „Lebenskompetenzen“ in der Mittelstufe im Bereich WPU einzuführen. Dieses Fach soll Schülerinnen und Schülern praxisnah und altersgerecht auf ein eigenständiges Leben vorbereiten, indem es wesentliche Alltagsfähigkeiten, finanzielle Grundkenntnisse und ein Bewusstsein für rechtliche Grundlagen vermittelt.
Siehe Stellungnahme zu JiL 37/17.
In Schleswig-Holstein haben wir mit dem Fach Verbraucherbildung an den Gemeinschaftsschulen schon ein Fach, welches lebensnahe Kompetenzen vermittelt. Dass es ein eigenständiges Unterrichtsfach Verbraucherbildung gibt, ist – vor allem im Vergleich mit anderen Bundesländern – keine Selbstverständlichkeit. Zudem sind Themen der finanziellen Bildung und des Rechts im Weltkunde- und WiPo-Unterricht verankert. Schulen müssen vielen Themen gerecht werden, umfassende Kompetenzen vermitteln und erfüllen viele neue Aufgaben. Die Kontingentsstundentafel ist jedoch aus gutem Grund begrenzt und vor dem Hintergrund, dass das Land Einsparungen vornehmen muss, gibt es da auch keinen (finanziellen) Spielraum. Wir Grüne wollen, dass Schulen alltagsnahe Themen in Projektwochen oder den klassischen Unterrichtsfächern sinnvoll vertiefe., Wir werden uns an allen Stellen dafür einsetzen, dass der Unterricht praxisnäher wird. Ob eine Anpassung der Fachanforderungen sinnvoll ist, um lebensnahe Kompetenzen noch stärker zu verankern, werden wir prüfen.
Die Vorbereitung der Schüler*innen auf das spätere Leben ist Kernaufgabe der weiterführenden Schulen. Wir müssen sicherstellen, dass wir junge Menschen nach ihrem Schulabschluss in ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben entlassen. Hierbei geht es auch um Chancengerechtigkeit und selbstständiges demokratisches Denken, beides Kernanliegen der SPD. Dafür braucht es nicht zwingend neue Unterrichtsfächer an den Schulen, sondern vor allem eine lebensnahe Orientierung an den „Lebenskompetenzen“ im Rahmen der schulischen Bildung. Starre Fächerstrukturen stattdessen aufzubrechen und lebensweltliche Herausforderungen multiperspektivisch und transdisziplinär zu betrachten, könnte dabei helfen, „Lebenskompetenzen“ an Schule zu fördern. Schließlich findet das Leben nicht in Fachstrukturen statt.
Die Fachanforderungen haben das Thema in den überfachlichen Kompetenzen aufgenommen und fokussieren damit explizit die Bedeutung des Themas: in Fach-anforderungen/Allgemeiner Teil unter Nr. 4 „Zentrale Themen des gesellschaftli-chen Lebens“ wird aufgeführt: „Schülerinnen und Schüler werden durch die Aus-einandersetzung mit den zentralen Themen des gesellschaftlichen Lebens befä-higt, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und dabei abzuschätzen, wie sich das eigene Handeln auf andere Menschen, künftige Generationen, die Umwelt oder das Leben in unterschiedlichen Kulturen auswirkt. Die zentralen Themen be-schreiben wichtige Aspekte, die sowohl die Lebensgestaltung des Einzelnen als auch das gemeinsame gesellschaftliche Handeln betreffen. Schülerinnen und Schüler sollen sich in der Schule insbesondere mit den folgenden zentralen The-men auseinandersetzen: • Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens: Menschenrechte, das friedli-che Zusammenleben in einer Welt mit unterschiedlichen Kulturen, Religionen, Gesellschaftsformen, Völkern und Nationen, • Nachhaltigkeit der ökologischen, sozialen und ökonomischen Entwicklung: Er-halt der natürlichen Lebensgrundlagen, Sicherung und Weiterentwicklung der sozialen, wirtschaftlichen und technischen Lebensbedingungen im Kontext der Globalisierung, • Gleichstellung und Diversität: Entfaltungsmöglichkeiten der Geschlechter, Wah-rung des Gleichberechtigungsgebots, Wertschätzung gesellschaftlicher Vielfalt, Förderung sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit, • Partizipation: Recht auf verantwortungsvolle Mitgestaltung der eigenen soziokul-turellen, politischen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse.“ Die Schulen verankern dieses Thema über die schulinternen Fachcurricula in ih-rem Unterricht und machen damit deutlich, dass es einen wichtigen, fächerübergrei-fenden Platz in der schulischen Bildung hat.
Wir unterstützen die Forderung nach einer Ausweitung des Faches Wirtschaft und Politik, um dort unter anderem im Wirtschaftsbereich grundlegendes Wissen über wichtige finanzielle Weichenstellungen zu lehren. Dazu gehört zum Beispiel die Notwendigkeit und Möglichkeiten einer privaten Altersvorsorge oder auch worauf man beim Abschluss von Verträgen achten muss.
Neben den Elternhäusern spielt auch die Schule eine zunehmende Rolle bei der Vermittlung von „Lebenskompetenzen“. Wir sprechen uns dafür aus, bestehende Strukturen zu nutzen und gezielt zu stärken, etwa durch Fortbildungen für Lehrkräfte und die Weiterentwicklung vorhandener Unterrichtsmaterialien. So gibt es am IQSH das Zentrum für Prävention, welches Fortbildungen in den Bereichen der allgemeinen Gesundheits-, Sucht- und Gewaltprävention, Extremismus, Medienkompetenz oder auch Angebote zur Vermeidung psychischer Erkrankungen anbietet. Ein verpflichtendes Wahlfach „Lebenskompetenzen“ für alle Schulen ist aus Sicht unserer Fraktion weder pädagogisch noch schulorganisatorisch aktuell der beste Weg. Bereits jetzt enthalten die geltenden Fachanforderungen in Schleswig-Holstein zentrale Themen im Bereich „Lebenskompetenz“, bspw. „Grundlagen im Umgang mit Geld“, „Sparen und Verschuldung“, „Umgang mit Taschengeld“, „Geld und Währung“, „Altersvorsorge“ oder „Einkommenssteuermodelle“. Die Themen rund um die Finanzbildung werden auch im Rahmen des Semesterthemas „Europa in Gegenwart und Zukunft“ im ersten Jahr der Qualifikationsphase (Q1) noch weitergeführt. Wenn Schulen im Rahmen ihrer pädagogischen Freiheit ein eigenes Wahlpflichtfach „Lebenskompetenzen“ entwickeln und anbieten möchten, ist das zu begrüßen. Eine landesweit einheitliche Verpflichtung würde jedoch den unterschiedlichen Gegebenheiten und Profilen der Schulen nicht gerecht. Ein flexibler, schulindividueller Umgang erscheint daher aus unserer Sicht zielführender.
Im Umgang mit alltäglichen und wichtigen finanziellen Entscheidungen sind die Fähigkeiten und Kenntnisse insbesondere mit Blick auf ein selbstständiges Wohnen und Leben nach dem Verlassen der Schule heute bei vielen jungen Menschen kaum vorhanden, was häufig z.B. sehr früh in eine existentielle Verschuldungssituation führt. Die Schere zwischen den Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, deren Eltern ihnen bei solchen Fragen zur Seite stehen können, und denjenigen, die in solchen Fällen auf sich allein gestellt sind, ist eklatant. Finanzielle und rechtliche Grundkenntnisse sind aber von existentiellem Nutzen - zum Beispiel, um die Rechte als Mieter in der ersten eigenen Wohnung zu kennen oder abzuwägen, welche Versicherungen man braucht, oder was man beachten muss, um bei finanziellen Entscheidungen mit dem eigenen Monatsbudget zurecht zu kommen. Dabei ist auch die Hilfe zur Selbsthilfe entscheidend - also die Fähigkeit, eigenständig verlässliche Informationen im Internet zu finden und zwischen vertrauenswürdigen und nicht vertrauenswürdigen Quellen unterscheiden zu können. Ein Wahlfach „Lebenskompetenzen“, das grundlegende Alltagsfähigkeiten vermittelt, ist dementsprechend ein sinnvoller Schritt für mehr Chancengerechtigkeit. Schulen können zwar bereits nach geltendem Recht eigenständig ein Wahlpflichtmodul „Lebenskompetenzen“ anbieten, aber das Land sollte unbedingt prüfen, wie ein solches Wahlfach landesweit eingeführt werden kann. In Deutschland entscheidet insgesamt die soziale Herkunft über den Bildungserfolg und damit über die Zukunftschancen junger Menschen viel stärker als in anderen EU-Ländern. Darum haben wir im Bund 2024 - zusammen mit den Bundesländern - das Startchancen-Programm beschlossen, durch das wir in den kommenden 10 Jahren mit 20 Mrd. Euro rund 4.000 Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler zusätzlich finanziell fördern. Davon profitiert auch Schleswig-Holstein.
Im Alltag werden den Menschen immer mehr Kompetenzen abverlangt, die durch die Lehrpläne der Länder nicht einheitlich abgedeckt werden. Die Landesgruppe begrüßt daher die Einführung des Unterrichtsfaches „Verbraucherbildung“ durch die Landesregierung um Schüler*innen das notwendige juristische und finanzielle Wissen zu vermitteln.